Es gibt ja viele unterschiedliche Messen: Die Heim- und Handwerk, Modemessen oder Comicmessen zählen zu meinen bevorzugten Tummelplätzen. Da dachte ich mir letzte Woche: Warum nicht mal eine Jobmesse?
Und machte mich auf ins MOC München, um eine äußerst bizarre Veranstaltung zu besuchen. Natürlich nicht, ohne vorher die
Klamottenfrage zu erörtern. Weil sich ein normaler Mensch schon fragt: Was zieht man da jetzt an, auf so ein Meet and Greet Bewerber-Unternehmen? Allerdings stellte ich nach Ankunft schnell fest, dass ich wohl der einzig anwesende normale Mensch war. Denn ich war umzingelt von Pinguinen, weiblich und männlich. Oder wahlweise einer Vollversammlung der deutschen Hosenanzug-produzierenden Industrie.
Ich - in geradezu grell-braunem Oberteil mit kurzem schwarzen Business - Bleistiftrock- kam mir auf der Stelle deplaziert vor und watschelte möglichst unauffällig zur Unternehmenspräsentation von Peek und Cloppenburg. Die suchten modebewußte junge Betriebswirte für ihr Management-Trainee-Programm. Die Pinguine im Publikum fühlten sich prompt angesprochen, der Schwarz-Weiß-Träger neben mir blätterte gar zur inhaltlichen Inspiration nochmal in einer Ausgabe von GQ. Die perfekt geschminkte junge Unternehmensvertreterin erklärte mir nachfolgend mit zuckersüßem Lächeln, dass in der Unternehmenskommunikation auf absehbare Zeit ganz bestimmt nichts frei wird ("da sitzen drei ganz entzückende junge Damen, von denen hört bestimmt keine auf!").
Ich also weiter zum nächsten Konzern gedackelt. Ähnliches von der Deutschen Bahn gehört ("Also in unserer Kommunikation da stellen wir eigentlich nur intern aus dem Marketing ein") und bei BMW ("Wissen Sie, Kommunikation ist bei uns nunmal keine Wachstumssparte").
Die einzige die sich wirklich über meine Anfrage gefreut hat, war die nette, überschwängliche -möglicherweise leicht unter Drogen stehende- Dame einer Zeitarbeitsfirma. Spätestens da hab ich dann beschlossen, mich aufs klassische Messegeschäft zu verlegen und
Merchandisingprodukte einzusacken.
Und was soll ich sagen: Das Angebot war echt gut.
Die Ausbeute: Eine Tüte der Deutschen Bahn, das Mini-Magazin "Shanghai" und das BMW-Magazin bei der BMW-Group (Kaufpreis normalerweise je 6 Euro), an beiden Messetagen die neue Süddeutsche dazu noch einen Süddeutsche-Block plus zwei Süddeutsche-Kulis und drei Packungen SZ-Gummibärchen, SZ-Post-its außerdem Gewinnspielteilnahme (Gewinn: komplette WM-Bibliothek; seitdem beobachte ich jeden Tag meinen Briefkasten), je eine aktuelle Ausgabe von Cosmopolitan und eine von GQ (beim Peek und Cloppenburg Stand), eine Ausgabe des Jobguide München zum Messevorzugspreis von nur 5 Euro statt 9,90 Euro, und natürlich mehrere Kilogramm Prospekte.
Gespart hab ich mir die Aktion: Lassen Sie umsonst ein Bewerbungsfoto von sich machen. Der Fotograf nötigte nämlich jeden zu lächeln. Und das vor jeder Menge Zuschauer, nee, nee...
Richtig bizarr wurde es als ich mich entschloss, meine wunderbaren Bewerbungsunterlagen einem sogenannten
"Mappencheck" zu unterziehen. Und nachdem diese Prozedur normalerweise bis zu 45 Euro kostet (wie mir im Laufe des Nachmittags mindestens 3 BWLer aufgeregt erzählten), am Stand irgendeines Bewerbungsratgebers aber for free zu haben war, nahm ich am Ende der Schlange Platz.
Dort kam ich ins Gespräch mit einer ganz herzallerliebsten BWL-Absolventin, die gerne bei Aldi oder LIDL als Bereichsleiterin anfangen wollte. Weil man da so gut verdient und einen großen Dienstwagen bekommt. Und auf einem Bewerbertag bei LIDL war sie auch schon: "Da wird man im Bewerbergespräch erstmal eine Stunde total angeschrien. Aber dafür verdient man hinterher gut", plauderte sie aus dem Nähkästchen. Und jetzt nach ihrem Studium wollte die Banknachbarin erstmal nach Shanghai für ein Praktikum. Zur Vermittlung hatte sie 400 Euro bezahlt. Dazu kommt natürlich noch Flug und Unterkunft. Lustig. Meine Berufswünsche quittierte sie wiederholt mit dem empörten Einwurf "Aber da verdient man ja nichts und arbeitet dafür total lang!". Nach eineinhalb Stunden Warten waren wir uns dann einig, dass das mit der interkulturellen Verständigung auch seine Grenzen hat, zumindest zwischen Soziologen und Betriebswirten aka Pinguinen und ich wandte mich meinem "Mappenberater" zu.
Der hatte schon recht wenig Haare, trug einen unglaublich schlechten Anzug mit quietschbunter Krawatte und mußte sich - neben seiner Beratungstätigkeit für hunderte eintönige BWL-Lebensläufe- auch noch um das Auspacken von Kisten mit Infomaterial kümmern. Ich hatte Mitleid.
Er warf einen kurzen abschätzigen Blick auf meinen Lebenslauf, dann einen ungläubigen Blick in mein Gesicht und fragte "Sind Sie Absolventin?". Ich nickte freundlich. "Dann darf ein Lebenslauf niemals länger als zwei Seiten sein!." stieß er hervor, um hinzuzufügen: "Daran müssen sich alle halten, also auch Sie!"
Ich meinte einen leicht anggressiven Unterton in seiner Stimme zu hören und wurde nun meinerseits etwas ungemütlich. Ums kurz zu machen: Jobberater und ich haben uns noch 3 Minuten lang gestritten (er u.a. hat mein politisches Engagement mit dem Hobby "Jagd" verglichen "Wissen Sie, das ist auch nicht jedermanns Sache..." und bestand darauf, dass ein Führerschein heutzutage für einen Absolventen eine totale Selbstverständlichkeit ist und deswegen nicht erwähnt werden muss: "Wissen Sie, da gehe ich einfach davon aus, dass der einen Dienstwagen fahren kann!"). Danach bin ich abgerauscht. 1 1/2 Stunden anstehen für 4 Minuten Gespräch! Das nenn ich Engagement.
Nächste Woche probier ichs übrigens beim Arbeitsamt, vielleich pass ich da ja besser hin :-)