Sowieso und Irgendwo

Donnerstag, April 20, 2006

Das häßliche Gesicht der Union erhebt ihr Haupt


Vorsicht - dieser Text hat zur Abwechslung mal nix mit Geschmack zu tun. Sondern mit grauer häßlicher, alltäglicher Politik. Pfui Bäh eigentlich.

Fast hatte man als aufrechter Sozialdemokrat ja vergessen, mit wem man da eine Koalition eingegangen war. So lammfromm und gesellschaftspolitisch geläutert stellten sich die deutschen Konservativen dar. An ihrer Spitze: Frauen wie Angela Merkel oder Ursula von der Leyen, der intellektuellen Scharfmacherei eher unverdächtig oder zumindest unglaubwürdig. Der CDU/CSU sollte, so schien es, die gesellschaftliche Lebensrealität der Deutschen schonend beigebracht werden. Von neuem Familienbild war da die Rede, von Homosexuellen und sogar von Vätern, die ihre Kinder auch mal ab und an betreuen sollten. Da hätte man fast ein bisschen griesgrämig werden können als alte immer-schon-engagierte Sozialdemokratin.

Doch im Laufe dieser Woche zeigte die Union mal wieder ihr altes, hässlicheres Gesicht.

Da war beispielsweise die Familienministerin, die ein „Bündnis für Werte“ gründet, aber sich weigert, in dieses andere Organisationen als die zwei christlichen Kirchen einzubinden. Und die auch weiterhin eher die Familien und deren Kirchen für die Erziehung von Kindern verantwortlich sieht, anstatt dies als gesellschaftliche Aufgabe zu begreifen. Und das in einem Moment wo die bundesdeutsche Öffentlichkeit eigentlich langsam kapiert hat, dass Chancengleichheit sich nur mit guter außerhäuslicher Erziehung und Betreuung gewährleisten lässt. Für alle Kinder, egal ob aus sozial schwachen Familien oder aus wohlhabenderen Schichten. Man fragt sich, was als nächstes geplant ist: Zurück zur Konfessionsschule, zum verpflichtenden Religionsunterricht, zu überdimensionalen Kreuzen an den Wänden und Aufklärungsunterricht beim Herrn Pfarrer?

Schlimmer, weil noch bezeichnender, waren die heutigen „Ausrutscher“ von Schäuble. Der hatte zu dem Fall des fast totgeprügelten Schwarzen in Potsdam nichts Besseres zu bemerken, als dass auch blonde und blauäugige Menschen verprügelt würden und das nicht selten auch von Menschen nichtdeutscher Herkunft (!) und der aktuelle Fall doch im Vergleich dazu auch nicht schlimmer sei. Und als sei diese Äußerung noch nicht genug, schob er noch eine gehörige Portion Zweifel hinterher, ob denn wohl ein rassistisches Motiv dahinterstecke. Und selbst wenn, so Schäuble, sei diese Aggression nur ein Ergebnis des langen Eingesperrtseins hinter der Mauer in der DDR. Man schnappt als aufgeklärter Mensch bei solcher Argumentation doch manchmal hörbar nach Luft.


Wenn man die Geschichte führender Unionspolitiker und ihrer Zitate zurückverfolgt, dürfte einen allerdings Nichts mehr schockieren. Die Liste des Verharmlosens bis hin zur Verhetzung ist lang und umfasst grandiose politische Konzepte wie „Patriotismus“ oder „Leitkultur“. War halt nur lange her, seitdem sich das Weltbild zum letzten Mal so deutlich aus dem Sumpf erhoben hat.
Und wir blicken voraus auf eine Woche in der Unionsgranden sich gegenseitig darin ergehen werden, wechselseitig das christliche Weltbild beschwören (diese Ostdeutschen sind ja auch alle Heiden und vielleicht deshalb so böse zu Ausländern), ihre geplanten Kürzungen der Mittel zur Rechtsextremismusbekämpfung zu rechtfertigen, stotternd zu erläutern warum Strafverschärfung ausgerechnet in diesem Bereich rechtsextremer Gewalt nix bringt (natürlich schon gegen Ehrenmorde oder Sexualverbrecher) und so weiter und so fort.

Und die SPD? Gute Frage. Nächste Frage.

Wenn das noch die Partei wäre in die ich mal eingetreten bin, dann würde man angemessen reagieren. Aber vielleicht ergehen sich die Sozialdemokraten doch lieber weiterhin im Zuschauen beim eigenen Untergang. Wie die Kapelle auf der Titanic. Zwar ertrunken, aber bis zum letzten Gluckern durchgehalten.

Übrigens:

Kleine Lichtblicke am heutigen Tag:

Björn watscht stellvertretend für die Jusos Schäuble ab. (Da sag ich doch zur Abwechslung mal "Bravo, Björn!")

Schönbohm, der alte Stahlhelm, verspricht, das Konzept „Leitkultur“ nicht mehr zu verwenden

So, jetzt gehts mir besser. Und ich entschuldige mich für jeglichen verwendeten Pathos, für ungenaue Argumentationen und schlicht nicht unterhaltsame Passagen. Ich gelobe hiermit thematische Besserung für die Zukunft.